Nikolaj Szeps-Znaider, Franz Welser-Möst und das Gewandhausorchester mit Sibelius und Dvorák im Benefizkonzert für die Stiftung „Leipzig hilft Kindern“.

Leipzig. „Ich danke Ihnen“, sagt Claudia Nerius, die Vorstandsvorsitzende der Stiftung „Leipzig hilft Kindern“, nach der Pause auf der Bühne des Gewandhauses, „dass Sie die Kinder nicht vergessen haben, dass Sie zurückgekehrt sind nach so langer Zeit.“ Sie dankt dem Publikum, ohne das ein solches Benefizkonzert wie das traditionelle am Vorabend des ersten Advents nichts brächte. Sie dankt überschwänglich den Musikerinnen und Musikern des Gewandhausorchesters, die für den guten Zweck ein besonders großes Großes Concert abliefern. Und sie dankt für den Scheck, den sie aus den Händen von Gereon Röckrath entgegennimmt, des Verwaltungsdirektors des Gewandhauses.

Claudia Nerius, die Vorstandsvorsitzende der Stiftung „Leipzig hilft Kindern“, und Gereon Röckrath, Verwltungsdirektor des Gewandhauses, auf der Bühne des großen Saales – links sitzt Konzertmeister Frank-Michael Erben.
© Quelle: Christian Modla

„40 000 Euro“ steht darauf. Und das ist eine stolze Summe, die Kindern in Leipzig und Umgebung zugute kommt, deren Probleme wir angesichts der Probleme in der Welt nicht aus den Augen verlieren sollten. Doch zeigt sich auch bei der Benefiz-Gala, die Gewandhaus, Sparkasse Leipzig, Verbundnetz Gas, Porsche Leipzig und Leipziger Volkszeitung gemeinsam veranstalten, dass das Leipziger Kulturleben noch nicht wieder auf dem Vor-Corona-Stand angekommen ist.

80 Prozent des Vorpandemischen

Es zeigt sich beim Blick auf die ungewohnt vielen unbesetzten Plätze im großen Saal – und es zeigt sich als Folge davon auch auf dem Scheck. Denn 2019 standen noch 50 000 Euro darauf. Was in etwa den Stand der Dinge abbildet: Bei rund 80 Prozent der vorpandemischen Auslastung ist das Gewandhaus mittlerweile wieder angekommen.

Gruppenbild mit Scheck: Ruven Weichert (Porsche Leipzig), Harald Langenfeld (Sparkasse Leipzig), Claudia Nerius (Leipzig hilft Kindern), Gereon Röckrath (Gewandhaus), Peter Korfmacher (Leipziger Volkszeitung) und Bodo Rodestock (Verbundnetz Gas, v.l.).
© Quelle: Christian Modla

Künstlerisch sind es längst wieder 100 Prozent – war es nie weniger. Und dieses Konzert ist eines der schönsten der Saison. Schon weil das Programm ganz auf Schönheit setzt. Und weil die Interpreten die Spitze des Machbaren markieren.

Klang und Sinnlichkeit

Der Orchesterpart von Jean Sibelius’ Violinkonzert etwa klingt unter der Leitung von Franz Welser-Möst auf weiten Strecken, als habe der Finne ihn dem Gewandhausorchester auf den Leib geschrieben. Da glühen dunkel die Streicher mit den bemerkenswert mitteilsamen Fagotten um die Wette. Da sind selbst noch Klang und Sinnlichkeit, wenn Streicher und Pauke gemeinsam die Marschtrommel imitieren.

Nikolaj Szeps-Znaider als Solist und Franz Welser-Möst als Dirigent beim Gewandhausorchester.
© Quelle: Christian Modla

Solist in diesem wunderbaren Konzert, das Herbheit und Schmelz so innig verbindet, wie dies nur Sibelius konnte, ist Nikolaj Szeps-Znaider, der mit Welser-Möst an den beiden Vortagen bereits mit Szymanowskis zweitem Violinkonzert Maßstäbe verschob. Bei Sibelius‘ zugänglicherem Konzert verhält es sich nicht anders. Dass es mörderisch schwer ist, ficht Szeps-Znaider nicht an. Er steht technisch so hoch über den Dingen, dass er sich über solche Fragen keine Gedanken mehr machen muss und darum selbst im abenteuerlichsten Passagen-Werk gleich zur Musik vordringen kann. Dies tut er bei Sibelius mit einer gestalterischen Souveräniät, die mit ihrer fast lässigen Grandezza an die Allergrößten des Fachs denken lässt. An Jascha Heifetz beispielsweise, der auch mit diesem Konzert einst zeigte, wo der Barthel den Most holt.

Berückend schön

Ganz gleich wo – Szeps-Znaider holt ihn gemeinsam mit Welser-Möst und dem Gewandhausorchester. Ganzheitlicher, organischer, ja demokratischer kann dieses Konzert nicht klingen – obwohl hier auf sehr weiten Strecken der Solist die erste Geige spielt. Unvergleichlich klar, rein, präzise und berückend schön. Dafür ist der Jubel gewaltig, und Szeps-Znaider, Welser-Möst das Gewandhausorchester bedanken sich mit Bachs „Ich ruf zu Dir“ für Violine und Streicher. Bach-Spiel aus einer anderen Zeit. Schlechter war sie nicht, stilistisch sorgloser vielleicht.

Franz Welser-Möst dirigiert das Gewandhausorchester..
© Quelle: Christian Modla

Sorglos ist Antonín Dvoráks fünfte Sinfonie vom ersten munteren F-Dur-Signal der Klarinetten an. Wobei sorglos nicht mit harmlos zu verwechseln ist, setzt Welser-Möst, ohne allzu viel Aufhebens darum zu machen, alle Energie des Orchesters in Klang um und in Bewegung. Denn dass sich mit diesen vier Sätzen ein Gigant der Spätromantik warmläuft, daran lässt diese Aufführung keinen Zweifel.

Elfengespinste und lustvolles Lärmen

Auf dem weiten Feld zwischen zarten Elfengespinsten und munter lustvollem Lärmen lassen Welser-Möst und das Gewandhausorchester nichts aus. Holzbläser-Festspiele hier, Streicher-Ekstase da, Blech-Prunk dort – von Welser-Möst nicht wacker drauflos musiziert, sondern auseinander entwickelt und in Beziehung zueinander gebracht. Dieser Dirigent, dieses Orchester und dieser Komponist – eine Traumkombination. Und gut für anhaltenden Jubel. Wenn sich das alles herumspricht, ist es im nächsten Jahr auch wieder voll im Saal, wenn Gewandhausorchester, Sparkasse Leipzig, Verbundnetz Gas, Porsche und Leipziger Volkszeitung zum Benefizkonzert für „Leipzig hilft Kindern“ in Gewandhaus bitten.

Von Peter Korfmacher

Aus der LVZ vom 28. November 2022.

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