Leipziger Ukrainehilfe hat sich neu organisiert

In den ersten Monaten nach Kriegsbeginn halfen viele Leipzigerinnen und Leipziger den ukrainischen Geflüchteten. Inzwischen ist aus der akuten Notlage ein Zustand mit Alltäglichkeit geworden – und die Hilfsangebote haben sich angepasst.

Leipzig. Die russische Invasion in der Ukraine dauert inzwischen sieben Monate, etwa Zehntausend Geflüchtete aus den Kriegsgebieten harren weiter in Leipzig aus. Private Rettungsaktionen, umfangreiche Sammlungen von Hilfsgütern oder akute Notlagen am Hauptbahnhof gibt es in Kiews Partnerstadt inzwischen nicht mehr. Das zivilgesellschaftliche Engagement für Geflüchtete hat dennoch nicht aufgehört. Die Hilfe wurde allerdings reorganisiert und ist insgesamt gezielter geworden.

Auch jetzt wird ein Großteil der Unterstützung abseits von staatlichen Institutionen weiter über das Netzwerk von Leipzig helps Ukraine (LhU) koordiniert. In den Telegram-Gruppen des Vereins treffen seit März unzählige Hilfsgesuche auf die Angebote aus der Stadt. „Allein in der Hauptgruppe sind es weiterhin mehr als 8000 Menschen, die dort Anfragen stellen und sich informieren“, sagt Stefan Loidolt. Von 500 bis 1000 solcher Hilfsgesuche täglich ist die Rede, zehn Moderatorinen und Moderatoren müssen in den acht themenspezifischen Untergruppen fast rund um die Uhr am Ball bleiben, Angebote vermittelt, Fragen beantworten. „Es ist von Außen oft nur schwer zu erkennen, wie viel Arbeit da tatsächlich jeden Tag drinsteckt“, sagt Loidolt.

Ansturm auf Job-Beratungsangebote

Er selbst ist ein Novum im Team des Vereins: der erste nicht ausschließlich ehrenamtliche Mitarbeiter. Die Stelle habe mit Hilfe kommunaler Förderung etabliert werden können, sagt Vorstand Hannes Rieseberg. „Stefan koordiniert alle Projekte, ist nun 40 Stunden die Woche als Ansprechpartner für die das ansonsten weiterhin von vielen Ehrenamtlichen getragenen Hilfsangeboten im Einsatz.“ Auch an anderer Stelle sei die Verzahnung mit den Behörden nun größer als früher. „So arbeitet unser Jobs Team nun mit dem Leipziger Job Center zusammen. Wie groß der Bedarf weiterhin ist, sehen wir beim Ansturm auf die angebotenen Beratungen. Da waren zuletzt alle Plätze immer schnell ausgebucht.“

Abgesehen von kommunaler Hilfe finanziert sich die Leipziger Ukraine-Hilfe auch aus privaten Geldern. „Dank privater Stifter konnten wir die Angebote für ukrainische Kinder weiter ausbauen“, freut sich Rieseberg. So würdigte die Ferry Porsche Stiftung das Leipziger Netzwerk zuletzt als „Helden des Alltags“ und überwies einen fünfstelligen Betrag. Auch die „Stiftung Leipzig hilft Kindern“ stärkt dem Verein inzwischen in ähnlichem Umfang finanziell den Rücken. Mit dem Geld seien nun konkret auf dem Bauspielplatz in Neustadt-Neuschönefeld regelmäßige Sprachkurse für Kinder und im „Hinz und Kunz“ in Altlindenau wochentäglich Hausaufgabenbetreuung für Kinder von sechs bis 16 Jahren mit ukrainischen Muttersprachlern etabliert worden, sagt Rieseberg.

Gehört zum Vereinsvorstand von Leipzig helps Ukraine: Hannes Rieseberg.
© Quelle: Wolfgang Sens

Kurse für Kinder und Lebensberatung für Erwachsene

Ebenfalls im Leipziger Osten, auf dem Kunst- und Gewerbehof HP7, sind Leipziger Handwerkskammer und Eberhard-Schöck-Stiftung aktiv: Beim angeleiteten Basteln mit Holz sollen ukrainische Kinder für späteres Handwerk begeistert werden – vielleicht ja auch in Leipzig. Nicht zuletzt engagieren sich auch ukrainische Initiativen direkt in der Messestadt: Der Ukrainian Educational Hub, eine Ausbildung-Plattform des Kiewer Bildungsministeriums, organisiere an der Leipziger Volkshochschule Kurse für Landsleute. „Da geht es grob gesagt um praktische Lebensberatung in Deutschland: Wie meldet man hier sein Auto an, wie bekommen Kinder einen Platz in der Schule, wie läuft das mit der Hundesteuer?“, erklärt Stefan Loidolt.

Denn auch nach sieben Monaten sei die Verunsicherung für viele der ukrainischen Geflüchteten fern der Heimat sehr groß. Die deutschen Verwaltungsstrukturen bereiten manchem Kopfzerbrechen, mitunter mache sich aufgrund vieler Missverständnisse auch Resignation breit. Zudem versuchten Kriminelle aus der Unwissenheit und Not der Ukrainerinnen und Ukrainer Profit zu schlagen – etwa beim Verkauf angeblich kostenpflichtiger Behördentermine, so die LhU-Mitarbeiter.

Angespannte Wohnsituation – Aufnahme nur noch im Einzelfall

Nicht zuletzt sei auch die Wohnsituation für viele der Schutzsuchenden weiterhin ein Problem in Leipzig. So mangelt es in der Messestadt an Wohnraum, der auch mit Hartz4-Bezug angemietet werden kann. Dieses Problem teilen die Ukrainerinnen und Ukrainer mit anderen Wohnungslosen. Die Stadt Leipzig hatte zuletzt Ende Juli Angaben zur Unterbringung gemacht, demnach lebten 550 der insgesamt 9.200 zu diesem Zeitpunkt registrierten Geflüchteten aus dem osteuropäischen Land in Gemeinschafts- und Notunterkünften, davon 280 in den Zeltstädten auf dem Deutschen Platz und in der Arno-Nitzsche-Straße.

Noch immer fliehen Menschen aus der Ukraine, manche gehen bereits aufgrund des nahenden Winters in den umkämpften Regionen auch von einer erneuten Welle aus. Aktuell treffen in Leipzig wenige ein. „In den Erstaufnahmen werden nur noch Menschen aufgenommen, wenn sie bereits Familien in Leipzig haben. Das ist auch in den anderen Städten sowie im Verteilzentrum in Meerane so. In der Regel werden die Ankommenden am Hauptbahnhof weiter nach Bochum oder ins Saarland geschickt“, sagt Loidolt.

Mehr zum Thema: leipzig-helps-ukraine.de

Von Mathias Puppe

Aus der LVZ vom 29. September 2022.

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